Drei doppelt genietete Riemen umschlingen meinen Stiefelschaft. Einer hängt locker über der Ferse, einer zieht vorn über den Spann und der dritte verschwindet im Zwickeinschlag. Alle drei entspringen einem Metallring knapp unterhalb des Innenknöchels und münden in einen zweiten Ring auf der Aussenseite.

Mehrere Schichten aus zähem Sohlenleder formen meinen untersetzten Absatz, ein abgelaufener Gummifleck schützt mich nur noch notdürftig. Meine Absatzfront wird gegen die Fussstange der Theke gedrückt. Quer über den Vorfuss ziehen tiefe Gehfalten, zeugen von meinem bewegten Leben. Meine Schuhspitze verschwindet im Schatten der Bar.

In Texas produziert, habe ich vor vielen Jahren per Schiff den Atlantik überquert, um einen würdigen Besitzer zu finden. Ich war mal ein stolzer Cowboystiefel, kein Schnäppchen, ein Original. Lang ist es her. Mittlerweile gehörte ich in die Hände eines ambitionierten Schuhmachers oder gar in den rot-weissen Sammelsack.

Früher habe ich mich Tag für Tag durch den Holzstaub einer Schreinerei gequält, mich sehnlichst auf den Feierabend gefreut. Die Nacht aber, die gehörte mir. Stolz betrat ich die Bühnenbretter der Provinz. Zwischen Stromkabeln, Lautsprechern und leeren Bierflaschen habe ich mit meinem Absatz im Takt zu harten Gitarrenriffs gewippt und unverschämt cool ausgesehen dabei. Stundenlanges, lässiges Wippen – mal schneller, mal langsamer – das ist meine Bestimmung, mein Leben.

Es kam die Zeit, als ein zu Rockgitarren wippender Westernstiefel nicht mehr angesagt war. Die Jungen tanzten lieber zu Elektromusik. Plötzlich fehlte es an Publikum, es fehlte an Applaus. Irgendwie verlor ich damals den Boden unter der Sohle. Aufs Mal hatte ich keinen Halt, keinen Stand mehr, und das mit dem Holzstaub und der Schreinerei wollte auch nicht mehr klappen. Man könne mich nicht mehr brauchen, haben sie gesagt. Mittlerweile habe ich mich prima an die Fussstange der Theke meines Stammlokals gewöhnt.

Ruhig ist es geworden um mich, zu ruhig. Die Nächte verbringe ich einsam draussen auf der Schuhmatte.

Das war nicht immer so. Früher hatte ich oft Gesellschaft: Damenpumps mit schwindelerregend hohen Absätzen, modisch, lasziv und ziemlich streng wechselnd. Dann wurden die Absätze niedriger, die Pumps rarer. Dafür blieben sie etwas länger. Jetzt fehlen sie ganz.

Mir gefällt es ganz gut unter dieser Bar. Spielt die Jukebox Rockmusik, wippe ich noch heute gern mit meinem Absatz. Und das sieht noch immer ziemlich cool aus – wenn man nicht so genau hinschaut.

Der Fuss im Stiefel gehört Johnny. Johnny sitzt an der Bar und hat Durst. Go, Johnny, go!